Father and son away
Montag, 7. März 2011
Agra

Es fällt schwer, beim Anblick des Taj Mahal, des “schönsten Gebäudes der Welt“, nicht jedes Mal auf den Auslöser zu drücken, und noch schwerer, nachher aus der Vielzahl der Fotos die schönsten auszuwählen, aber jetzt haben wir uns für diese entschieden. Dass die Architektur an die Mogulgräber in Allahabad erinnert, ist nicht verwunderlich, denn sein Erbauer Shah Jahan ist der Bruder des unglücklichen Khusru. Der Taj Mahal ist ein Mausoleum für Shah Jahans geliebte Frau Mumtaz Mahal, die bei der Geburt ihres vierzehnten Kindes starb. Die optische Wirkung wird dadurch verstärkt, dass er auf einer Plattform und damit vor dem blauen Himmel als Hintergrund steht. Als Zierelement steht an jeder Ecke ein Minarett - und das alles aus weißem Marmor.

An den Bauarbeiten im 17. Jahrhundert waren 20.000 Menschen vorwiegend aus Indien und Zentralasien beschäftigt baer auch Spezialisten aus dem fernen Europa. Deshalb ist nicht nur das völlig symmetrische Gebäude eine Augenweide sondern auch die Details aus halbtransparentem weißen Marmor und die Einlegearbeiten aus Halbedelsteinen. Dafür dass der Marmor so weiß beliebt, sorgen die Verbannung des motorisierten Verkehrs aus der unmittelbaren Umgebung und eine Schönheitsbehandlung mit einer seit alten Zeiten bekannten indischen Kosmetikmixtur. Der Familientradition folgend wurde Schah Jahan von seinem Sohn Aurangzeb abgesetzt und im Agra Fort inhaftiert. Immerhin konnte er von dort den Taj Mahal durch ein Fenster sehen und wurde nach seinem Tod an der Seite der geliebten Gattin beigesetzt.

Umgeben ist der Taj Mahal von roten Sandsteingebäuden, die mit weißem Marmor abgesetzt sind und weiße Kuppeln tragen: drei Außentore und ein Innentor sowie eine Moschee, die aktiv von den Muslimen Agras genutzt wird, weshalb die gesamte Anlage freitags nur zum Beten geöffnet ist. Aus Symmetriegründen hat man gegenüber der Moschee genau das gleiche Gebäude noch mal gebaut. Von unsere Dachterrasse, die Luftlinie etwa 800 Meter vom Taj Mahal entfernt ist, sieht man daher jede Menge Kuppeln.

Zur Mogul-Festung Agra Fort kann man vom Taj Mahal laufen, es sind nur 2 Kilometer. Sie wurde im 16. Jahrhundert von Akbar, dem Großvater Shah Jahans und Khusrus begonnen. Ursprünglich eine militärische Anlage von gewaltigen Ausmaßen (die 20 Meter hohen Mauern sind 2,5 km lang) aus rotem Sandstein, wurde später im Innern der riesige rote Palast für Akbars Sohn Jahangir errichtet.

Shah Jahan erweiterte das Innere zum Palast aus prächtig verziertem weißen Marmor. Da gibt es riesige Innenhöfe, Türme, Pavillons, Moscheen, Gärten und es gab sogar einen Basar für die vielen Damen des Hauses. In einem achteckigen Turm war Schah Jahan dann bis zu seinem Tod acht Jahre lang inhaftiert ehe sein Leichnam per Boot auf dem Yamuna zum Taj Mahal überführt wurde.

Dann geht es per Fahrradrikscha zur Jama Mashid Moschee, erbaut von einer Tochter Schah Jahans im 17. Jahrhundert. Besonders schick sind die weithin sichtbaren mit Marmormustern verzierten Kuppeln. Den Eingang sieht man kaum mitten im wuseligen Basar. Innen führt uns ein eifriger Mensch im Muslimdress unaufgefordert herum, spricht die erste Sure für uns und will dann eine entsprechende Spende für seine Moschee. Als die kleiner ausfällt als von ihm erwartet, lässt er uns ganz schnell alleine.

Da unser Rikschafahrer ein älterer Herr ist, helfen wir ihm, die Rikscha auf die Yamuna-Brücke zu schieben. Normalerweise bleibt auch der kräftigste Fahrgast sitzen während der arme Rikschafahrer sein Gefährt mangels Gangschaltung jede Steigung hinaufschiebt. Unser Zeil ist Itimad-ud-Daulah, das Grabmal von Mizra Ghiyas Beg, des persischen Adligen und Großvaters der im Taj Mahal begrabenen Mumtaz Mahal. Er war der Wesir von Schah Jahans Vater Jahangir (genau dem, den Khusru ermorden wollte), mit dem auch seine Tochter Nur Jahan (als Nachfolgerin der unglücklichen Mutter Khusrus) verheiratet war. Diese ließ das Grabmal errichten. Es ist stilistisch und durch seine Lage am Yamuna ein Vorläufer und eine kleinere Ausgabe des Taj Mahal und wird deshalb auch Baby Taj Mahal genannt.

Dass Agra und insbesondere Taj Ganj, der Stadtteil südlich des Taj Mahal, muslimische Gegenden sind, hört man - nicht nur frühmorgens - am Ruf des Muezzin und sieht man auf der Straße und zum Beispiel auch auf dem Schuldachgarten in der Nähe unserer Dachterrasse. Überhaupt wird in den unterschiedlichsten Schulen auch viel im Freien unterrichtet, nicht immer gibt es überhaupt ein Schulgebäude - außerhalb der Monsunzeit bei den hiesigen klimatischen Verhältnissen sicher kein Problem.

Zu den Religionen muss man wissen, dass Indien sich als pluralistischer Staat versteht, der allen Religionen eine Heimat bietet. Der Hinduismus, dem 81% der Bevölkerung angehören, kennt keine Institutionen und keine Vorschriften bezüglich der Religionsausübung, weshalb es per definitionem auch keine Ketzerei gibt. Juden haben wahrscheinlich schon nach der Zerstörung des Tempels in Jerusalem durch Nebukadnezar in heutigen Staat Kerala in Südindien Zuflucht gefunden und friedlich gelebt (bis portugiesische Seefahrer im Namen des Christentums die Inquisition ins Land brachten). Vor diesem Hintergrund haben viele Inder - einschließlich Mahatma Gandhi - die von fanatischen Muslimen vorangetriebene und von den Briten bei der Unabhängigkeit 1947 durchgeführte Teilung des Landes in ein (überwiegend) hinduistisches Indien und ein (überwiegend) muslimisches (West-) und Ostpakistan (aus Letzterem wurde nach einem Krieg zwischen Indien und Pakistan 1971 bekanntlich Bangladesh) - als schwere Niederlage empfunden. Die schrecklichen Folgen (Flüchtlinge, Unruhen, Kriege sowie das Aufkommen eines hinduistischen Fundamentalismus, der für die Pogrome gegen Muslime in Gujarat 1992 verantwortlich ist) geben ihnen vermutlich recht - zumal bis Mitte der 90er Jahre mehr Muslime im hinduistischen Indien lebten als im muslimischen Pakistan.

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